Handball, Baden-Württemberg-Oberliga, Männer: Der VfL Waiblingen kehrt nach 14 Jahren in die dritte Liga zurück / Trainer Baumgart freut sich auf seine achte Saison
Es gibt’s nicht oft, dass ein Handballverein mit Teams in der zweiten und dritten Liga vertreten ist – wie der VfL Waiblingen in der kommenden Saison. Die Frauen möchten sich nach ihrem einjährigen Abenteuer in der Beletage des deutschen Handballs künftig eine Liga darunter etablieren. Die Männer des VfL haben nach einer herausragenden Saison den Durchmarsch von der Württembergliga in die dritthöchste Liga in Deutschland geschafft. „Alle sind unheimlich stolz auf das, was die Mannschaft geleistet hat“, sagt der Trainer Tim Baumgart. „Der Verein, die Sponsoren, die Fans.“ Letztere haben beim Saisonfinale die Waiblinger Rundsporthalle in eine Festhalle umgewandelt – obwohl es auf den ersten Blick überhaupt nichts zu feiern gab: Mit 29:32 verlor der VfL gegen den TSB Schwäbisch Gmünd und musste der TGS Pforzheim zur Meisterschaft in der Baden-Württemberg-Oberliga gratulieren. Es war indes lediglich ein kleiner Misston in der ansonsten ebenso harmonischen wie überaus erfolgreichen Spielzeit: Den zweiten Platz und damit den Aufstieg hatte der VfL schon am vorletzten Spieltag in der Tasche.
Das i-Tüpfelchen der Saison bleibt dem VfL Waiblingen verwehrt
Nun ist der VfL Waiblingen nach 14 Jahren wieder zurück in der dritthöchsten deutschen Spielklasse, die damals noch Regionalliga hieß. Nach dem Abstieg in die Baden-Württemberg-Oberliga stieg der VfL dort im zweiten Jahr ab, spielte zehn Jahre in der Württembergliga und schaffte nach dem Wiederaufstieg in die Oberliga den Durchmarsch.
„Natürlich wären wir gerne als Meister aufgestiegen“, sagt Baumgart. Es sei „schon ein bisschen ärgerlich“ gewesen, dass seine Mannschaft im letzten Spiel nicht parat und fokussiert genug gewesen sei. „Aber ich kann es den Jungs auch nicht verdenken, die Hälfte der Mannschaft ging angeschlagen in die letzte Partie.“
Es war eine lange Spielzeit mit 34 Partien, die natürlich auch an die Substanz der Waiblinger ging. Die Spieler mussten im Aufstiegsrennen Woche für Woche an ihre Grenze gehen, schließlich hatte es die Konkurrenz in sich. Bis kurz vor Saisonschluss stritten sich fünf Mannschaften um die beiden Aufstiegsplätze, die Pforzheimer und Waiblinger hatten den längsten Atem.
Für Tim Baumgart gab’s mehrere Punkte, die sein Team auszeichneten. Abgesehen von der Nervenstärke in den entscheidenden Partien seien der „unbändige Wille und der Zusammenhalt“ entscheidend gewesen. Und der ausgeglichen besetzte Kader, der die Waiblinger schwer ausrechenbar machte. Das sieht auch der Männer-Vorstand Frank Ader so. In der Schlussphase der Saison habe das Team zwar gegen die direkten Aufstiegskonkurrenten den einen oder anderen Punkt liegenlassen. Gegen schwächere Mannschaften indes, gegen die andere Aufstiegskandidaten Zähler einbüßten, sei der VfL stabil geblieben.
Der größte Unterschied des VfL zur Konkurrenz offenbart sich für Ader beim Blick in die Torschützenliste. „Wir sind 18 Mannschaften in der Liga – und wir haben keinen Spieler unter den Top 18.“ Und das, obwohl der VfL nach der TSG Söflingen die meisten Tore in dieser Saison erzielte. Axel Steffens ist auf Rang 19 der beste Waiblinger Schütze. „Unser Kader war extrem ausgeglichen“, sagt Ader – was den VfL sehr schwer ausrechenbar machte.
Eine Sensation war’s nicht, dass die Waiblinger nach dem souveränen Aufstieg in der Saison 2021/2022 aus der Württembergliga auch eine Etage höher mithalten würden. Schließlich durfte der Trainer auf ein erfahrenes und eingespieltes Team setzen. Intern hatten die Verantwortlichen um den Sportlichen Leiter Maik Hammelmann und den Männer-Vorstand Frank Ader sogar ein bisschen davon geträumt, vorne mitzuspielen. Vorausgesetzt freilich, die verletzungsbedingten Ausfälle hielten sich im Rahmen. Und das taten sie.
Die Mitstreiter schwächeln, die Waiblinger bleiben stabil
Nach dem Saisonstart mit 4:6 Punkten blieb der VfL 13 Spiele ohne Niederlage. Mit dem 39:33-Sieg in Schwäbisch Gmünd beendete er die Hinrunde an der Tabellenspitze. Nach einem kurzen, auch verletzungsbedingten Schwächeanfall im Januar und Februar und vier sieglosen Spielen kam das Team mit einer Serie von 12:0 Punkten rasch wieder zurück in die Spur. Die unglückliche 29:30-Niederlage beim Aufstiegskonkurrenten TV Plochingen machte das Baumgart-Team ebenso wenig nervös wie das 35:35-Unentschieden in eigener Halle gegen die TSG Söflingen, einem weiteren Konkurrenten. Am vorletzten Spieltag nutzte der VfL mit dem 34:27-Sieg bei der HSG Konstanz II den Matchball zum Aufstieg.
Tim Baumgart ist froh, dass seinem Team die Entscheidung am finalen Spieltag erspart geblieben ist, „dass wir das Ding vorher unter Dach und Fach gebracht haben“. Wäre der VfL gescheitert, wäre dies kein Weltuntergang gewesen. So aber ist er der womöglich kniffligen zweiten Oberliga-Saison aus dem Weg gegangen. Durch die Ligareform dürfte der Aufstieg im nächsten Jahr ein schwieriges Unterfangen werden. Die Oberliga wird in zwei Neuner-Staffeln aufgeteilt, nur die jeweils ersten vier Teams erreichen die Aufstiegsrunde. Und hier müssten sich die Waiblinger gegen ein halbes Dutzend ambitionierte Ex-Drittligisten durchsetzen.
Der VfL Waiblingen will weiterhin auf Kontinuität setzen
Frank Ader ist erleichtert, dass das Team standhaft geblieben ist. „Dass wir 50 Punkte geholt haben, finde ich super“, sagt er. „Ich hätte aber nicht gedacht, dass die in dieser ausgeglichenen Liga zum Aufstieg reichen.“
An seiner Philosophie der jüngsten Vergangenheit will der VfL Waiblingen auch in der dritten Liga nichts ändern: Der Kader wird nicht jedes Jahr runderneuert, vielmehr setzt der Verein auf Kontinuität. Abzulesen ist das unter anderem an den Vertragslaufzeiten. „Wir binden die Spieler meist zwei oder drei Jahre“, sagt der Sportliche Leiter Maik Hammelmann. „Wir schenken den jungen, hungrigen Spielern das Vertrauen, das hat sich bewährt.“
Wie auch die lange Zusammenarbeit mit dem Trainer. Tim Baumgart wird sein achtes Jahr beim VfL Waiblingen in Angriff nehmen. „Ich fühle mich superwohl hier“, sagt er und lacht. „Gotte Bayer (früherer Abteilungsleiter des VfL/Anmerkung der Redaktion) sagte mir kürzlich, so lange sei noch nie ein Trainer beim VfL gewesen.“ Baumgart spürt das Vertrauen der Verantwortlichen. Für das Trainerteam sei’s deshalb recht einfach, in Waiblingen zu arbeiten. „Uns wird der Rücken freigehalten, und wir haben unsere
Freiheiten.“
Mutig und zuversichtlich möchte der VfL Waiblingen auch in der dritten Liga auftreten – und wieder mit einem nahezu unveränderten Kader in der Süd-Staffel, aus der voraussichtlich drei Teams absteigen werden. Als einziger Stammspieler wird Axel Steffens den Verein verlassen, der VfL möchte sich im Rückraum nach und nach verjüngen. Drei neue Spieler kommen hinzu: für den rechten Rückraum Martin Lübke vom TSB Heilbronn-Horkheim, vom Nachbarn TSV Schmiden Tobias Maurer (ebenfalls für den Rückraum) sowie der Rechtsaußen Sören Schmid (SKV Oberstenfeld). „Ansonsten werden wir wie immer auf den einen oder anderen Spieler der zweiten Mannschaft zurückgreifen“, so Baumgart. In den nächsten Tagen möchte er sich mit dem neuen Trainer der zweiten Mannschaft, Flaviu Onofras, austauschen.
Namhafte Spieler zu verpflichten, sei aus diversen Gründen keine Option, sagt Maik Hammelmann. „Wir können keine drei Ex-Profis holen, es muss auch finanziell passen.“ Große Sprünge, ergänzt Frank Ader, seien sowieso nicht drin. „Wir haben unser Budget nach gefühlten acht Jahren zwar ein bisschen erhöht“, sagt er und lacht. „Das liegt aber eher im Bereich des Inflationsausgleichs.“
Nun ist erst einmal Pause angesagt beim Aufsteiger – nach dem obligatorischen Mannschaftsausflug auf Mallorca freilich. In der letzten Juniwoche bittet Tim Baumgart zum lockeren Trainingsauftakt. Bis zum Saisonstart Mitte September wird durchtrainiert, wobei jeder Spieler zwei Wochen in Urlaub gehen darf. „Wir sind keine Profimannschaft“, sagt Baumbach. „Wir werden das flexibel handhaben.“
Quelle: Zeitungsverlag Waiblingen vom 31.05.2023 (Thomas Wagner)